„Wie ein kleiner Junge in Disneyworld“
„Wie ein kleiner Junge in Disneyworld“
Mit gerade einmal 20 Jahren hat Manuel Mordi im Sommer an den Olympischen Spielen in Paris teilgenommen. Für den Hamburger ein wahrgewordener Traum und Highlight eines traumhaften Jahres.
Mittwoch. 17:00 Uhr. Es ist ein regnerischer Novembertag im Norden Hamburgs, auf der Straße spiegeln sich die Straßenlaternen in den Pfützen. In seinem Auto ist Hürdensprinter Manuel Mordi auf dem Weg in die Leichtathletikhalle in Alsterdorf. Es steht Krafttraining an, wie jeden Mittwochabend. Aus den Boxen des Wagens schallen laute Hip-Hop-Beats, Luciano rappt dazu mit seiner charakteristisch tiefen Stimme. Der Lautstärkeregler ist bis zum Anschlag aufgedreht.
So bringt Mordi sich in Stimmung für das, was gleich ansteht. „Zähne zusammenbeißen und einfach durchziehen, durch den Belastungssschmerz durchtrainieren“, lacht der 21-Jährige, „jetzt Gas geben, ich weiß, es wird sich in Zukunft auszahlen.“ In Sachen Mentalität hat sich der Hamburger Mike Tyson als Vorbild genommen.
Aber seit Mordi sich im Erwachsenen-Bereich etabliert hat wird es immer wichtiger die Belastung auch richtig zu steuern. „Ich glaube, ich bin jetzt an so einem Punkt angekommen, wo ich die Mitte zwischen ‚ich will zu viel‘ und ‚ich darf nicht zu wenig machen‘ finden muss.“ Eine Erkenntnis, die er sich über Jahre erarbeitet hat. Heute könne er sich kaum vorstellen, wie er in der Jugend mit Entzündungen weiter trainiert habe. „Deswegen bin ich glaube ich umso froher zu wissen, ich kann geil eine Hürde laufen. Ich darf nicht zu viel wollen.“
Dass das manchmal schwerfällt, ist nach einem Jahr, wie Manuel Mordi es 2024 erlebt hat, sehr nachvollziehbar. Ende Mai läuft er in Leverkusen mit 13,36 Sekunden über 110 Meter Hürden persönliche Bestzeit. Anfang Juni wird Mordi für seine erste Europameisterschaft nominiert. Ende Juni verteidigt er in Braunschweig seinen Titel, wird zum zweiten Mal in Folge deutscher Meister. Es folgt die Nominierung für die Olympischen Spiele in Paris, ein wahrgewordener Traum.
In Paris läuft Mordi seine zweitschnellste Zeit, verpasst das Halbfinale aber dennoch knapp: „Es war am Ende richtig knapp, weil ich dann etwas unsauber wurde. Das ärgert mich ein bisschen.“ Was aber viel wichtiger ist, sind die Erfahrungen, die er in Frankreich sammelt. „Ich habe mich wie so ein kleiner Junge in Disney World gefühlt. Das war eine Reizüberflutung“, beschreibt er seine Zeit im olympischen Dorf, „das ist wirklich eine Erfahrung fürs Leben.“
Doch die Erfolge in diesem Jahr haben Mordi auch Grenzen aufgezeigt: „Ich glaube, man hat nach Leverkusen gemerkt, ich hatte wirklich drei, vier Wochen Probleme, weil ich das Gefühl hatte, über mir selbst zu stehen.“ Nach der persönlichen Bestzeit in Leverkusen, sollte in den darauffolgenden Wettkämpfen direkt die nächste Bestzeit folgen. „Da habe ich gemerkt, okay, du hast jetzt einen großen Schritt nach vorne gemacht, nimm erstmal wieder zwei zurück, damit du in zwei Monaten wieder zwei Schritte nach vorne machen kannst. Man muss lernen, dass man nicht jeden Tag eine persönliche Bestzeit laufen kann“, so Mordi.
Im kommenden Jahr möchte er vor allem an seiner Konstanz arbeiten. Dabei wird Mordi auch weiterhin die Raute auf der Brust tragen. Der 21-Jährige hat gerade seinen Vertrag mit dem HSV verlängert. Überlegungen seine Heimatstadt zu verlassen, gab es bei Mordi nicht. Ein Grund: die Beziehung zu seinem Coach Christopher Bickmann. Der Sprint- und Hürdensprinttrainer hatte Mordi erst zum Hürdenlauf gebracht, im Grunde sogar gezwungen. „Am Ende war es gut, dass er mich da in die Richtung gedrückt hat. Ich bin ihm sehr dankbar“, so sein Schützling.
In Hamburg studiert Mordi Psychologie. „Ich komme voran, aber meine Priorität ist immer noch der Leistungssport“, so der Student. Es sei aber immer gut, einen Plan B zu haben, besonders hier in Deutschland, auch wenn der Fokus aktuell auf dem Sport liege: „Ich finde, man kann zwei Sachen nicht gleich gut machen.“
So steht der Sport für Mordi über allem. Eine Entscheidung, die sich spätestens mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen für den Hürdensprinter ausgezahlt hat: „Ich würde jedem Athleten ans Herz geben, arbeite dir wirklich die Seele aus dem Leib, um das einmal mitzuerleben. Das ist wirklich eine Erfahrung fürs Leben.“