„Hockey war mein Leben lang an Nummer eins.“

Anne Schröder über Abschiede, Erfolge und neue Herausforderungen

„Hockey war mein Leben lang an Nummer eins.“

Anne Schröder über Abschiede, Erfolge und neue Herausforderungen

243 Länderspiele, 56 Tore, 3 Olympische Spiele. Das sind die Zahlen zur außergewöhnlichen internationalen Karriere von Hockeyspielerin Anne Schröder. Elfeinhalb Jahre lang, von 2013 bis 2024, spielte die Hamburgerin im Trikot des Deutschen Hockey Bundes. Nach den Olympischen Spielen in Paris beendet Schröder ihre Karriere im Nationalteam und gibt uns einen emotionalen Rückblick auf ihre Zeit bei den Danas.

 

Über ein Jahrzehnt war Anne Schröder ein fester Bestandteil der deutschen Hockeynationalmannschaft der Damen. Mittelfeldmotor und Führungsspielerin. Für die Danas steht nach den Spielen in Paris und dem Rücktritt von Bundestrainer Valentin Altenburg ein großer Umbruch an. Anne Schröder hat für sich entschieden, kein Teil dieser Entwicklung mehr zu sein.

Begonnen hat Schröders Abschied aus der Nationalmannschaft im Grunde vor etwa zwei Jahren. Damals steigt die Psychologin in das Berufsleben ein und muss fortan den Spagat zwischen Beruf und Leistungssport meistern. „Ich habe schnell gemerkt, das schaffe ich ein, zwei Jahre, dann ist aber auch gut“, so Schröder. „Hockey war mein Leben lang an Nummer eins aber in den letzten Jahren haben sich meine Prioritäten verschoben.“

Daher sei nach den Olympischen Spielen der richtige Zeitpunkt gekommen aus der Nationalmannschaft zurückzutreten sagt die 30-Jährige, der die Entscheidung trotzdem alles andere als leichtgefallen ist: „Als das erste Mal der Gedanke ans Aufhören kam, wollte ich den eigentlich nur beiseiteschieben. Das war für mich unvorstellbar.“ Nach reiflicher Überlegung und dem Austausch mit Familie, Freund*innen und Teamkameradinnen sei Schröder aber zu der Entscheidung gelangt, dass es der richtige Zeitpunkt für ihren Rücktritt ist.

Auch die Heim-EM in Mönchengladbach im kommenden Jahr konnte an der Entscheidung nichts mehr ändern, auch wenn sie eventuell ein Rahmen für eine große und emotionale Verabschiedung von der internationalen Hockeybühne gewesen wäre, so Schröder: „Ich hatte das Gefühl, dass ist nur ein Hinauszögern dieser Entscheidung, die so weh tut und die so schwierig ist. Ich bin aber eher der Typ, der sofort da durch will, auch wenn es schwierig und traurig ist.“

Erfolge die bleiben

Was bleibt sind Erinnerungen. An die gemeinsamen Trainingseinheiten, die vielen Lehrgänge, die Turniere und natürlich die Olympischen Spiele. Zuletzt die Spiele in Paris, die für Schröder trotz des Ausscheidens im Viertelfinale ein schöner Abschluss waren. Davor die Spiele in Tokio, die „Corona-Spiele“, bei denen Aufgrund der vielen Einschränkungen kaum olympisches Flair aufgekommen ist. Und die Spiele in Rio, bei denen die Deutschen im Spiel um Platz Drei die Neuseeländerinnen mit 2:1 schlugen und damit die Bronzemedaille gewannen. Der wohl größte sportliche Erfolg in der Karriere von Anne Schröder.

Abgesehen von den Olympischen Spielen sind es bei der Spielerin vom Club an der Alster die Turniere in Deutschland, die besonders in Erinnerung geblieben sind. 2018 wurde Schröder mit den Danas Hallenweltmeisterin in Berlin. In der ausverkauften Max-Schmeling-Halle schlugen sie die Niederlande mit 2:1. „Das ist nochmal was anderes im eigenen Land. Die Stimmung war super, ich erinnere mich noch an die ganzen kleinen Deutschlandflaggen und wie uns die ganze Halle unterstützt hat.“ 2022 konnten die Danas nochmal einen Hallentitel in Deutschland feiern. In der Alsterdorfer Sporthalle gewann das Team die Hallenhockey Europameisterschaft.

Aber vielleicht noch wichtiger als der vergängliche sportliche Erfolg sind die Freundschaften, die über den Sport und die gemeinsame Leidenschaft geschlossen wurden. „Was hängen bleibt, wenn man raus ist, sind diese menschlichen Verbindungen im Mannschaftssport, die einfach so wertvoll sind“, schwärmt Schröder.

Der Hockeysport im Wandel

Gemeinsam mit zahlreichen Mitspielerinnen und Freundinnen prägte Schröder bei den Danas eine Zeit, die auch vom Wandel im Hockeysport beeinflusst wurde. Von der Entwicklung einer Sportart, die sich immer wieder neu erfinden muss, um interessant zu bleiben. Anne Schröder hat diesen Wandel in der vergangenen Dekade hautnah miterlebt: „Die Komponente des Spielmachers, der das Spiel vor sich hat und so ein bisschen Quarterback-mäßig das Spiel liest von hinten, wie so ein Libero, war früher deutlich wichtiger. Heute ist es viel athletischer. Da hat man manchmal das Gefühl, da stehen eher Leichtathleten auf dem Platz, denen Schläger in die Hand gegeben wurden.“ Gerade Spielerinnen wie sie selbst, die technisch stark sind und ein gutes Spielverständnis haben bekämen diesen Wandel zu spüren.

Dazu kommt die zunehmende Professionalisierung des Hockeysports. Mittlerweile sind die Spielerinnen das ganze Jahr unterwegs, reisen für die Bundesliga durch ganz Deutschland und für die FIH Pro League durch die ganze Welt. So wird es für die Sportlerinnen zunehmend schwieriger, Beruf oder Studium und Leistungssport zu vereinen.

Zwischen Psychotherapie und Bundesligahockey

Der Rücktritt aus der Nationalmannschaft gibt der Hamburgerin nun die Möglichkeit, sich voll auf ihren Beruf zu konzentrieren. Die studierte Psychologin ist aktuell in der Ausbildung zur Psychotherapeutin. Ein Beruf, der die Vereinbarkeit von Leistungssport und Job extrem schwer macht. Ein Spagat zwischen Verantwortung gegenüber der Mannschaft und den Teamkolleginnen und der Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber und Patientinnen und Patienten. „Ich habe gemerkt, dass ich einfach in dem Bereich jetzt voll und ganz da sein und mich weiterentwickeln möchte“, so Schröder.

Dennoch bleibt sie dem Hockeysport zumindest fürs Erste weiter erhalten. In der Bundesliga spielt Schröder für den Club an der Alster und steht mit ihrem Team nach Abschluss der Hinrunde auf dem dritten Platz der Tabelle. Das Pensum ist so zwar niedriger, doch auch das bringt seine eigenen Schwierigkeiten mit: „Ich merke jetzt, dass es mir durch meinen krassen Ehrgeiz manchmal schwerfällt, jetzt so von 100% und zweimal am Tag Training zu ein bisschen entspannterem Hockey zu wechseln. Es hat mir immer mehr Spaß gebracht, voll und ganz reinzugehen. Ich habe immer für das Top-Niveau gelebt.“ Daher glaube sie nicht, dass sie noch ewig in der Bundesliga spielen werde. Aber die aktuelle Saison wird sie definitiv mit den Alster-Damen beenden.

Ein Blick nach Vorn

Der Damen-Nationalmannschaft wünscht Schröder, dass sie den großen Umbruch mit einem neuen Team und einer neuen Trainerin erfolgreich meistern. Nach dem Rücktritt von Valentin Altenburg, der von 2022 bis 2024 Trainer der Nationalmannschaft der Damen war, hat der Verband Janneke Schopman als neue Nationaltrainerin vorgestellt. Die 47-Jährige Niederländerin war zuletzt Nationaltrainerin in den USA und Indien.

Mit der neuen Trainerin ist die Mannschaft im November in das erste gemeinsame Trainingslager in die USA geflogen. „Ich wünsche den Mädels auf jeden Fall, dass sie für sich ihre eigenen Geschichten schreiben“, so Schröder, „dass sie ihre eigene Identität entwickeln und da Lust drauf haben und an das glauben und für das brennen, was sie da machen.“

Auch wenn es nach über einem Jahrzehnt als Teil der Danas komisch sei, die Entwicklung jetzt von außen zu betrachten freue sie sich auch, die Entwicklung zu verfolgen und der Mannschaft auch unterstützend zur Seite zu stehen.

Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Ausgabe unseres Magazins „TEAM 040“. Die gesamte Ausgabe in digitaler Form findet ihr hier.